Am 24. Februar war ein spannender Moment bei der Rathaus-Sanierung: Der Glockenturm wurde deinstalliert und mit einem Autokran abgenommen. Ganz vorsichtig und mit viel Fingerspitzengefühl musste die ausführende Zimmerei Dingeldein aus Michelstadt vorgehen, um den Turm nicht zu beschädigen (Weitere Infos im Interview mit Geschäftsführer Stefan Dingeldein unter diesem Beitrag). Denn bei der Demontage konnte man erst richtig sehen, dass die Sanierung dringend nötig ist. Insbesondere die Balkenkonstruktion des Turmkorpus muss fachgerecht repariert werden.

Dies und weitere Arbeiten an der Turmdacheindeckung werden in den nächsten Wochen in der Werkstatt des Zimmerers in Zusammenarbeit mit der Firma M+K aus Erbach durchgeführt. Die Wetterfahne kann nach derzeitigem Stand ebenfalls erhalten werden. Hierzu sind jedoch einige Restaurierungsmaßnahmen durch die beauftragte Spenglerfirma Reinhold aus Steinbach erforderlich.

Bei der Aktion wurde auch eine witzige Entdeckung gemacht: Bei der letzten Sanierung Ende der 70er Jahren haben sich die damaligen Dachdecker auf der Schiefereindeckung des Glockenturms namentlich verewigt. Die Schieferplatten werden im Zuge der Sanierung gesichert und archiviert.

Sie haben den Glockenturm mit einem Autokran abgehoben und in Ihre Zimmerei transportiert. Der Turm ist ca. 540 Jahre alt, es klingt also nicht nach einer Standardmaßnahme. War es so spektakulär, wie es sich anhört?

Es sieht immer spektakulär aus, mit einem Kran zu arbeiten, zumal an einem historischen Gebäude wie dem Michelstädter Rathaus. Für uns ist es Routine und nicht der erste Turm, der so abgebaut wurde.

 

Was war dabei die größte Herausforderung?

Die größte Herausforderung ist immer das Wetter, viel Wind ist auf dem Weg von oben nach unten kontraproduktiv. Eine weitere Herausforderung sind die alten Holzverbindungen - halten sie, während der Turm abgehoben wird, oder nicht.

 

Warum konnten Sie den Turm nicht an seinem ursprünglichen Platz sanieren?

Die Auflagerpunkte an den Pfosten sind beschädigt und können nur repariert werden, wenn der Turm abgehoben ist.

 

Welche Schritte gehören zur Sanierung des Turms?

Dazu gehören Dachdeckung und Schalung abnehmen, Bestandsaufnahme der Holzkonstruktion, Dokumentieren und Fotografieren der Reparaturmaßnahmen, Reparatur der Holzkonstruktion und Aufbringen der Schalung. Es folgen noch die Schieferdachdeckung und die Spenglerarbeiten.

 

Am Ende muss er wieder auf das Dach. Was sind dabei die größten Herausforderungen?

Nachdem alles geprüft und fachmännisch saniert ist, muss der Turm wieder sicher nach oben gebracht werden und traditionell, denkmalgerecht befestigt werden.

 

Hier geht's zu den Fotos der Abnahme des Glockenturms.
 

Ein so altes Gebäude zu sanieren, ist nicht von heute auf morgen möglich. Wann hat das Bauamt mit den Planungen begonnen?

Erste Probeentnahmen und Farbanalysen an den wetterseitigen Fachwerkhölzern wurden schon 2022 aufgrund bereits schon länger erkennbarer Verfärbungen und Farbabläufe durchgeführt. Anschließend begann dann die Vorplanung der Sanierung. 2023 wurde die Blitzschutzanlage überprüft. Die dabei erfassten Mängel erforderten ein weiteres Sanierungskonzept für diese Anlage. Bei der turnusmäßigen Wartung der Glockenanlage im Frühjahr 2024 konnten außerdem nicht unerhebliche Mängel u.a. am Glockenauflager festgestellt werden. Diese erforderten eine kurzfristige Demontage der Rathausglocke und weitere Instandsetzungsmaßnahmen am gesamten Glockenturm.  

 
Was sind bei der Sanierung die größten Herausforderungen?

Neben den bautechnischen Herausforderungen und dem Zusammenspiel der einzelnen Gewerke, müssen die Abläufe auch auf die (eingeschränkte) Nutzung des Rathauses abgestimmt werden. Das ist nicht immer einfach und erfordert Flexibilität bei den Handwerksbetrieben.

 

Der Denkmalschutz gibt einen engen Rahmen vor. Worauf müssen Sie alles achten?

Im Prinzip müssen sämtliche Arbeiten an der historischen Bausubstanz und die zu verwendenden Materialien mit dem Denkmalschutz abgestimmt werden. Einige ggf. sanierungsbedürftige Bereiche – z. B. am Glockenturm - sind jedoch erst nach erforderlichen Vorarbeiten komplett zugänglich und genau einsehbar. Die weitere Vorgehensweise muss dann möglichst kurzfristig vor Ort gemeinsam mit dem Denkmalschutz festgelegt werden.

 

Also sind für die Maßnahmen Unternehmen mit Denkmal-Erfahrungen gefragt?

Auf jeden Fall. Darauf haben wir selbstverständlich auch bei der Beauftragung der beteiligten Handwerksfirmen geachtet.

 

Auf was haben Sie bei der Auswahl der Handwerksbetriebe noch geachtet?

Grundsätzlich halten wir es für wichtig, möglichst ortsansässige oder regional tätige Betriebe bei Ausschreibungen und Angebotsanfragen zu berücksichtigen. Bei sehr speziellen Tätigkeiten, wie beispielsweise den erforderlichen Strahlarbeiten an den Fachwerkhölzern, ist dies jedoch nicht immer möglich. Solche Fachfirmen mit der erforderlichen Erfahrung im Denkmalschutz sind nicht allzu weit verbreitet.

 

Die letzte Fassadensanierung liegt etwa 15 Jahre zurück. Ist dies ein normaler Zeitraum für die nächste Sanierungsmaßnahme?

Insbesondere für die Anstriche der Fachwerkhölzer und Fenster auf Leinölbasis ist das sogar schon ein recht langer Zeitraum. Leinölfarben beginnen nach etwa fünf bis acht Jahren an der Oberfläche zu verwittern, lassen sich aber durch Auftragen oder Einreiben mit einer dünnen Leinölschicht einfach wieder auffrischen.
 

Das heißt 2039 geht es wieder los?

Was eine Auffrischung der neuen Holzanstriche betrifft, müsste das bereits 2030 bis 2033 wieder ins Auge gefasst werden. Eine derart umfangreiche Sanierung wie im Moment, mit Glockenanlage, Glockenturm, Blitzschutz und Restaurierung der Fenster ist in den kommenden 15 bis 20 Jahren jedoch – bei entsprechend regelmäßiger Wartung und Pflege - aus Sicht des Bauamtes nicht zu erwarten.