cittaslow-Konzept

Lebensqualität in kleinen Städten

Die Entwicklungen der demografischen und sozioökonomischen Rahmenbedingungen werden inzwischen in ihren räumlichen Auswirkungen spürbar. Dies hat Konsequenzen auf die planerischen Gestaltungsspielräume. Bei den Debatten um Nachhaltigkeit ist man verstärkt auf der Suche nach verbesserten und neuen Formen des Zusammenlebens, Wohnens und Arbeitens, um zukunftsfähige Städte und Regionen zu gestalten.

Der Begriff Lebensqualität, der in den Nachhaltigkeitsdiskursen häufig vorkommt, umfasst ein zunächst subjektives Wohlbefinden. Die Lebensqualität kleiner Städte und Gemeinden liegt unter anderem in den engen sozialen Beziehungen und kurzen Wegen, der direkten Einbettung in Natur und Landschaft und der Pflege generationenverbindender traditioneller Strukturen. Daraus kann eine gewisse Resistenz gegenüber ökonomischen Umwälzungen resultieren.

Die Internationale Vereinigung der lebenswerten Städte („Cittaslow“) entstand 1999 in Italien aus der Slow-Food-Bewegung. Der Cittaslow-Gründer Carlo Petrini wollte den Slow-Food-Gedanken um die Aspekte Entschleunigung und Lebensqualität erweitern. Die Philosophie von Slow-Food sollte auf das alltägliche (Verwaltungs-) Handeln und Leben in kleinen Städten ausgedehnt werden.

Diese Philosophie traf auf die Debatte in Italien um die Liberalisierungsanforderungen des EU-Binnenmarktes, was einen Filialisierungstrend in den Zentren der Städte zur Folge hatte. In diesem Klima fand die Initiative Cittaslow eine starke Resonanz, innerhalb von zwei Jahren wuchs das italienische Netzwerk auf 28 Mitgliedstädte an. Mit der deutschen Kleinstadt Hersbruck trat 2001 die erste deutsche Stadt der Vereinigung bei. Inzwischen sind es weltweit 176 Cittaslow-Mitgliedstädte in 27 Ländern.

Das Netzwerk von Cittaslow hat zum Ziel bei Klein- und Mittelstädten unter 50.000 Einwohnern Potenziale zur nachhaltigen Orts- und Stadtentwicklung zu heben und die Lebensqualität vor Ort zu stärken. Um dieser Vereinigung beitreten zu können, müssen ca. 80 Kriterien erfüllt werden, die in sieben Handlungsfelder unterteilt sind. Es handelt sich um folgende Handlungsfelder:

  • 1. Energie- und Umweltpolitik
  • 2. Infrastruktur
  • 3. Politik für urbane Qualität
  • 4. Politik für Landwirtschaft, Tourismus und Handwerk
  • 5. Politik für Gastfreundschaft, Bewusstsein und Bildung
  • 6. Sozialer Zusammenhalt
  • 7. Partnerschaften

In Deutschland gibt es derzeit zwölf Klein- und Mittelstädte mit dem Cittaslow-Zertifikat, die nicht mehr als 25.000 Einwohner haben. Alle sind touristische Urlaubs- und Naherholungsziele. Neben den erfüllten Kriterien und deren weitere nachhaltige Umsetzung, spielen auch neue Fragestellungen, wie z. B. nachhaltige Energie- und Umweltpolitik, Barrierefreiheit und Inklusion sowie gezielte Siedlungsflächensteuerung und Innenstadtentwicklung eine Rolle. Hier kann der Cittaslow-Ansatz vor allem als Leitbild fungieren. Es sind jedoch nicht immer neue Themenfelder. Der Cittaslow-Ansatz möchte ein Plädoyer sein für eine Veränderung der Einstellung zu den Themenfelder.

Fast alle Mitgliedstädte der Vereinigung lebenwerter Städte in Deutschland liegen in wirtschaftlich vergleichsweise gut gestellten Regionen. Die neue Herausforderung ist, ob das Prinzip „Qualität vor Quantität“ sich auch in kleinen Städten strukturschwacher Regionen bewähren kann.

(Quelle: Text von Petra Potz, Ariane Sept "Der Cittaslow-Ansatz - Lebensqualität in kleinen Städten")